Der alte Affe Angst

Der alte Affe Angst« ist eine kompromisslose Liebesgeschichte. Eine Liebesgeschichte, in der sich die Protagonisten weder verbal noch körperlich etwas schenken. Eine Liebesgeschichte ohne Romantik, frei von Sentimentalität, dafür voller Schmerz und Leid.

Sie beginnt an einem Punkt, den die meisten Liebesgeschichten gerne verschweigen, weil der Alltag den einstigen Zauber längst abgetötet hat und die Magie der ersten Begegnung nur noch Erinnerung, der nächste Kuss Routine und der Sex zur Pflicht geworden ist. Es ist der Punkt, an dem Filme gewöhnlich abblenden und der Abspann beginnt. Vor allem aber ist es der Punkt, an dem sich die Frage stellt, welchen Preis der Einzelne noch bereit ist zu zahlen, um die Beziehung länger aufrechtzuerhalten. Oskar Roehlers Protagonisten Marie und Robert haben sich entschie- den, den Kampf weiterzuführen. Sie halten aber auch aus ganz egois- tischen Gründen an ihrer Beziehung fest, weil die Angst vor der Einsam- keit und dem Verlust noch unerträglicher ist als all die unüberbrückbaren Differenzen, erlebten Enttäuschungen und erlittenen Verletzungen. Mit seinem Film »Der alte Affe Angst« aus dem Jahr 2003 hat Oskar Roehler ein Beziehungsdrama geschaffen, das in seiner Unausweichlichkeit und emotionalen Tiefe an die antike Tragödie erinnert. Permanent müssen Marie und Robert neue Schicksalsschläge verkraften, die ihre Bezie- hung fast übermenschlichen Belastungen aussetzt: vom Sterben von Roberts Vater über Maries Schwangerschaftsabbruch hin zum Selbst- mordversuch. Oskar Roehler gewährt seinen Figuren keinerlei Scho- nung oder Atempause, aber gerade dadurch erhält diese Beziehung einen exemplarischen Charakter. Sie steht geradezu stellvertretend für das Zusammenleben von Frau und Mann, für den Kampf um dauerhafte Zweisamkeit. Deshalb hat Ersan Mondtag in seiner Adaption von Oskar Roehlers Filmdrehbuch diesen Kernkonflikt noch weiter fokussiert und ihn mit den Mitteln des antiken Theaters – Chor, Musik und Gesang, sowie Motiven und Texten aus Euripides’ »Alkestis« – auf die Bühne gebracht. In diesem theatralen Triptychon zeigt er den Kampf zwischen Frau und Mann als ein großes körperliches, verbales und musikalisches Crescendo, als einen Wirbelsturm der Emotionen, der erst in der Leere und Stille seine Katharsis findet.

Fotoaufnahmen: Birgit Hupfeld

Zeitraum

01. April 2016 – 04. Dezember 2016